Selbsthilfe bei Zwängen

Neben den in den vorherigen Kapiteln angesprochenen Therapie­elementen ist gerade bei Zwängen die Anleitung zur Selbsthilfe ein wichtiger Bestandteil der Behandlung. Da die Zwänge ja größtenteils im normalen Alltag aufreten - und nicht nur in den Therapie­sitzungen oder in der Klinik - benötigen die Betroffenen auch ein möglichst umfangreiches “Handwerkzeug”, wie sie den Zwangshandlungen oder Zwangsgedanken im normalen Tagesablauf begegnen können.

Vorweg jedoch noch eine Anmerkung: Zum Glück sind wir Menschen ja alle unterschiedlich - und auch die Zwangserkrankungen können natürlich bei jedem Menschen sehr unterschiedliche Facetten haben. Wir können deswegen hier auf diesen Seite allgemeine Hilfen aufführen - ihr individuelles Werkzeug können Sie aber doch am besten persönlich mit Ihrer Therapeutin bzw. Ihrem Therapeuten erarbeiten.

Zurück zur Selbsthilfe: Es mag sich vielleicht banal anhören, aber ein erster ganz wichtiger Schritt ist die Erlaubnis an mich selber, das Zwänge eine chronische Erkrankung sind, und nicht von heute auf morgen aufhören können. Wie gesagt, dies hört sich zunächst einmal banal an - ist in der Umsetzung dann aber für die meisten Betroffenen eine sehr schwierige Aufgabe (...und für ihre Angehörigen noch viel mehr, aber das ist Thema in einem anderen Kapitel).

Sehr oft wird diesbezüglich davon gesprochen, wie wichtig eine Akzeptanz der Zwangserkrankung sei. Nun ja, leichter gesagt als getan: Wer will schon gerne eine chronische Erkrankung akzeptieren?

Muss ich meine Zwänge wirklich akzeptieren?

Deswegen noch einmal die Überlegung, warum denn gerade bei Zwängen die Akzeptanz so ein wichtiges Werkzeug ist und wie wir diese vielleicht stärken können: Wie wir schon in den anderen Kapiteln überlegt haben, beruhen Zwänge sehr oft auf Ängsten, insbesondere zum Beispiel der Angst, etwas wichtiges übersehen oder unterlassen zu haben. Wenn ich mir als Betroffener jetzt vornehme, im Alltag alleine etwas gegen meine Zwänge zu üben - also zum Beispiel mein Expositionstraining alleine weiter zu führen - dann verstärken sich zunächst auch automatisch meine Befürchtungen und Ängste.

Ganz klar: Langfristig sollen die Ängste durch die Übungen natürlich weniger werden und nach Möglichkeit ganz verschwinden - aber gerade zum Beginn des Übens erfahre ich als Betroffener wie gesagt oftmals erst einmal eine weitere Verunsicherung. Und was mir dabei gerade als Zwangspatient schnell verloren geht: Die Sicherheit, dass diese zusätzliche Verunsicherung “nur” durch meinen Zwang und mein Training gegen ihn ausgelöst wird - und nicht, weil ich gerade wirklich etwas Schlimmes oder Unverantwortliches mache.

An diesem Punkt kommt wieder unsere Akzeptanz ins Spiel. Denn erst, wenn ich mir erlaube, dass sich meine eigene Sicht “auf die Welt” und meinen Alltag durch den Zwang verändert hat, kann ich mir auch diese erste zusätzliche Verunsicherung beim Üben erlauben. Dazu ein Beispiel:

Was soll ich denn bei meinen Kontrollzwänge akzeptieren...?

Stellen Sie sich einen Menschen mit einem Kontrollzwang vor. Er hat vielleicht immer wieder die Befürchtung, dass er etwas übersehen könnte, wodurch dann andere Menschen einen großen Schaden erfahren könnten. Aus diesem Grund kontrolliert er zum Beispiel beim Verlassen des Hauses mehrfach die Wohnungstür - und fährt im Zweifelsfall dann lieber noch einmal zurück, wenn er sich unsicher ist, ob er die Tür wirklich korrekt abgeschlossen hat.

In der Therapie hat er jetzt mit seiner Therapeutin besprochen, dass er das nächste Mal wenn ihn die Ängste auf der Autofahrt einholen nicht zurückfährt, sondern sich seinen Ängsten und den damit verbundenen Sorgen stellt - sich ihnen also konfrontiert (deswegen auch der Name Konfrontationstherapie).

Dies führt nun aber automatisch dazu, dass seine Ängste zunächst einmal zunehmen und sich die Befürchtung “Wenn ich nicht zurückfahre mache ich etwas Unverantwortliches und riskiere bewusst das Wohlergehen der Anderen...!” meldet.

Und jetzt zu der oben gestellten Frage: In diesem Augenblick heisst “Akzeptanz der Zwänge” nicht etwa, dass ich meine Zwänge hinnehmen und mich ihnen ausgeliefert fühlen muss. Es geht vielmehr darum, dass ich akzeptiere, dass in diesem Moment - während ich im Auto sitze und mein Gedanken­karussel anfängt, sich immer schneller zu drehen - die Zwänge versuchen, meine Wahrnehmung und mein Denken und Fühlen zu beeinflussen. Und dass dies - also mein Kampf gegen die Zwänge - zu meinem schlechten Gefühl und den Katastrophen­gedanken führt, und nicht etwa meine vermeintlich unzureichende Kontrolle der Haustür.

Selbsthilfegruppen für Menschen mit Zwängen

Der Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen ist bei sehr vielen seelischen Erkrankungen eine wichtige Hilfe. Auch für Menschen mit Zwängen kann deswegen die Teilnahme an einer Selbsthilfe­gruppe eine wertvolle Unerstützung sein. Adressen von Selbsthilfe­gruppen in Ihrer Umgebung können Sie zum Beispiel über die Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) in Berlin erfragen:

NAKOS

Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS)
Internet: www.nakos.de
Otto-Suhr-Allee 115
10585 Berlin
Telefon: 030 - 31 01 89 60

Für unsere Region Rosenheim finden Sie weitere Informationen auch unter Selbsthilfegruppen Rosenheim.

Beratungssstellen in Rosenheim, Traunstein, Miesbach, Wasserburg, München und Salzburg

Adressen für Beratungsstellen für Menschen mit seelischen Erkrankungen wie Depressionen, Ängsten etc., sowie Adressen für Familienberatung, Sozialberatung usw. in den Landkreisen Rosenheim, Traunstein, Miesbach sowie in den benachbarten Regionen finden sie im Kapitel Beratungsstellen:

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